31. Januar 2022

Mit Geschäftsmodell-Innovationen zu mehr Wachstum

Unternehmer*innen stehen stetig vor Herausforderungen und müssen innovativ sein. Dabei fokussieren sie sich stark auf reine Innovationen der Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse. Das Potenzial von Geschäfts­modell-Innovationen wird meist vernachlässigt, obwohl gerade diese einen nachhaltigen, positiven Wandel ermöglichen.

Von Rolf Meyer, Dario Meyer und Andreas Weber

Das Geschäftsmodell beschreibt, einfach gesagt, wie ein Unternehmen funktioniert und wie es seinen Kund*innen Nutzen bringt. Also wie es aus einem Input, wie Material, Zeit und Know-how, einen Output in Form eines Produktes oder einer Dienstleistung macht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Geschäftsmodell darzustellen. Die bekannteste ist der Canvas von Alex Osterwalder, welcher anhand von neun zentralen Elementen ein Unternehmen beschreibt. Weitere Möglichkeiten sind der Business Model Navigator, der die Fragen wer, wie, was und welchen Wert beantwortet, oder das 7-Schlüssel-Model, das ein Geschäftsmodell anhand von sieben wichtigen Punkten darstellt.

Was ist eine Geschäftsmodell-Innovation?

Tätigt ein Unternehmen nicht nur eine Art (eindimensional) von Innovation, sondern mindestens zwei (also mehrdimensional), spricht man von Geschäftsmodell-Innovation. Es sind häufig mehrere, eher kleine Veränderungen, die zusammen als Ganzes völlig neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Eine Studie von IBM hat gezeigt, dass der Schwerpunkt der Innovationstätigkeit der meisten Unternehmen bei ihren Produkten und Dienstleistungen ist. Sie zeigt aber auch, dass Geschäftsmodell-Innovationen den grössten positiven Effekt haben. So fokussieren die Unternehmen mit überdurchschnittlichem finanziellem Erfolg verstärkt auf Innovationen ihres Geschäftsmodells und investieren doppelt so viel Zeit in diese als die weniger erfolgreichen Unternehmen. Ebenfalls steigt die Umsatzrendite stärker als bei reinen Produkt- oder Prozessinnovationen.

Warum sind Geschäftsmodell-Innovationen besser?

Firmen, die ihre Geschäftsmodelle erneuert haben, berichten von einer Vielzahl von Vorteilen, die je nach Branche und Innovationsart unterschiedlich
sind. Viele erreichen höhere Gewinnmargen durch reduzierte Kosten und/oder höhere Erträge. Häufig werden neue Märkte oder Kundensegmente angesprochen. Mehr strategische Flexibilität ist ebenfalls ein wichtiger positiver Punkt, weil zum Beispiel neue Vertriebswege eingeführt oder neue Ressourcen beschafft wurden. Dadurch kann auch den Kund*innen ein höherer Nutzen geboten werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass ganze Branchen auf den Kopf gestellt werden können und sich dadurch nicht nur ein einzelnes Unternehmen verändert, sondern ganze Branchen produktiver und kundenorientierter werden.

Der Widerstand gegen neue Geschäftsmodelle kann bei der Geschäftsführung und den Mitarbeitenden gross sein. Meist werden traditionelle Arbeitsweisen ersetzt, was zu Unsicherheiten führen und das Machtgefüge verändern kann (Servicemitarbeitende sind plötzlich für den Grossteil des Gewinns verantwortlich, was bisher das Verdienst der Ingenieure und Konstrukteure war).

Innovationen im Kanton Schwyz

Eine Forschungsstudie im Kanton Schwyz hat gezeigt, dass die Bedeutung von Geschäftsmodell-Innovationen unterschätzt wird. Das Denken in traditionellen Produkt- und teilweise auch Verfahrensinnovationen ist noch weit verbreitet. Es gibt aktuell einige Branchen mit komplett neuen Geschäftsmodellen. Zum Beispiel steht der Finanzsektor vor grossen Herausforderungen und die traditionellen Institutionen werden von Firmen mit digitalen Geschäftsmodellen konkurriert. So ist
Neon als reine Online-Bank in den Markt eingetreten, die mit Banking via App ein junges Publikum ansprechen will, oder Selma Finance, die mit einer digitalen Assistentin individuelle Anlagepläne erstellt.

Doch neue Geschäftsmodelle gibt es nicht nur bei Start-ups. So hat Orkanet Siworks aus Schindellegi die Flachdachüberwachung revolutioniert mit
einem neuen System, das die flächendeckende Überwachung erlaubt und bei möglichen Schäden einen Alarm auslöst. Dieses neue Produkt brachte ebenfalls ein neues Geschäftsmodell mit neuen Marketingmassnahmen, neuen Partnern und neuen notwendigen Ressourcen. Auch die Firma Büeler aus Lachen SZ hat dank neuer Lasertechnologie ihre Spenglerei digitalisiert, was Einfluss auf das gesamte Geschäftsmodell hat.

Die Studie im Kanton Schwyz hat gezeigt, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung und neuer Technologien zu wenig genutzt werden. Auch sind die Beispiele von erfolgreichen Geschäftsmodell-Innovationen von KMU und die Instrumente, um diese zu entwickeln, zu evaluieren und umzusetzen, zu wenig bekannt.

Wie kommt mein Unternehmen zu Geschäftsmodell-Innovationen?

  • Beschreiben Sie zuerst Ihr aktuelles Geschäftsmodell im Detail mit einer der erwähnten Darstellungsmethoden. Achten Sie auf:
    – Vollständige Darstellung und Ehrlichkeit; stellen Sie das Geschäftsmodell so dar, wie es ist, und nicht, wie es sein sollte.
    – Involvieren Sie Ihr Team, um eine ganzheitliche Sicht zu bekommen.
  • Bewerten Sie die aktuellen und zukünftigen Stärken und Schwächen Ihres Geschäftsmodells.
  • Entwickeln Sie Ideen, wie das Geschäftsmodell weitergedacht, angepasst oder neu gestaltet werden kann. Unterstützend dabei können sein:
    – Kreativitätstechniken, zum Beispiel ein Brainwriting, um Ihr aktuelles Geschäftsmodell zu hinterfragen und neue Ideen zu generieren;
    – gesellschaftliche Megatrends;
    – Nachhaltigkeitsziele der UNO;
    – Digitalisierung sowie neue Technologien.
  • Bewerten Sie die Ideen aufgrund ihrer Machbarkeit (haben wir die Ressourcen oder können wir diese beschaffen?), der Attraktivität (wie ist das
    Marktpotenzial? Wie viele Kund*innen gibt es? Wie stark ist die Konkurrenz?) und ob sie zum Unternehmen passen.
  • Definieren Sie, welche Schritte bis zur Umsetzung gemacht werden müssen, und erstellen Sie einen Aktionsplan mit klaren Verantwortlichkeiten und Meilensteinen. Gibt es dabei die Möglichkeit, das neue Geschäftsmodell im kleinen Rahmen sehr schnell und günstig zu testen?
  • Kommunizieren Sie offen und transparent mit allen betroffenen Personen. Zeigen Sie den Nutzen für das Unternehmen und die Zukunftsaussichten auf.

Auch in Zukunft werden Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen Märkte und Branchen herausfordern. Deshalb ist es auch für bestehende Unternehmen wichtig, das eigene Geschäftsmodell regelmässig zu analysieren, die eigenen Annahmen zu hinterfragen und sich über Trends und Neuheiten im Markt zu informieren. Wer dies tut, wird langfristig einen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern haben und im Markt bestehen.

Erstveröffentlichung in „Organisator“, Ausgabe 11-12/2021.

Autoren

Rolf Meyer ist Professor für Entrepreneurship an der FHNW.

Dario Meyer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FHNW.

Andreas Weber ist Co-Geschäftsführer von Schwyz Next.