21. November 2022

Antworten auf aktuelle Herausforderungen

Im Sorgenbarometer der schweizerischen KMU stehen aktuell die hohe Inflation, Schwierigkeiten mit der Lieferkette sowie der Fachkräftemangel ganz zuoberst. Diese drei Herausforderungen sind externe Faktoren, auf die ein einzelnes KMU kaum Einfluss nehmen, die es selbst nicht oder kaum verändern kann.

Das Klagen über diese negativen äussern Einflüsse ist deshalb verständlich, aber wenig produktiv. Aus Sicht der KMU gilt es auf die Veränderung in ihrer Umwelt adäquat zu reagieren. Oft ist diese Reaktion rein defensiv:

  • Höhere Preise bei Strom oder Rohmaterialien werden eins zu eins in der Kalkulation berücksichtigt und die eigenen Verkaufspreise dementsprechend angepasst.
  • Verzögerungen bei der Lieferung von notwendigen Komponenten wird zur Kenntnis genommen, die eigene Produktion daran angepasst und gegenüber den Kund*innen entsprechend kommuniziert und begründet.

Bei der Rekrutierung von Arbeitskräften werden die raren Fachpersonen mit überdurchschnittlichen Löhnen geködert oder weniger qualifizierte Personen angestellt, die man dann selbst noch entsprechend einarbeiten und qualifizieren muss.

All diese Beispiele zeigen, dass den aktuellen Herausforderungen durchaus begegnet werden kann. In allen Beispielen ist das Resultat jedoch schlechter, als wenn es die Herausforderung nicht gäbe. Zudem reagieren die meisten Unternehmen mit diesen naheliegenden, passiven Massnahmen, sodass man sich keinen Vorteil erschafft.

Herausforderungen als Chance für Veränderungen

Die Alternative besteht darin, diese Herausforderungen als Chance für Veränderungen zu sehen, denn externe Schocks – um es drastisch zu formulieren – oder allgemein Veränderungen von aussen, sind eine wichtige Ursache und Quelle von Innovationen. Die korrekte Antwort auf die aktuellen Herausforderungen heisst deshalb Geschäftsmodell-Innovation.

  • Höhere Strompreise müssen nicht einfach hingenommen werden, sondern können Anstoss zur Gebäudesanierung und für andere Massnahmen zum Energiesparen sein. Zudem kann auf erneuerbare, autarkere Systeme der Energiegewinnung wie Photovoltaik oder Wärmepumpen umgestiegen werden. All diese Massnahmen allein werden – zumindest kurzfristig – das Problem der höheren Strompreise nicht lösen. Sie verändern jedoch den ökologischen Fussabdruck der eigenen Produktion, sodass die hergestellten Güter respektive Dienstleistungen einen geringeren CO2-Ausstoss aufweisen. Dadurch verändert sich das Angebot, unterscheidet sich stärker von der Konkurrenz und dürfte auch bei spezifischen, allenfalls neuen, tendenziell weniger preissensitiven Kundensegmenten an Beliebtheit gewinnen.
    In diesem Beispiel führen Anpassungen der Energiegewinnung und Nutzung (Ressourcen) zu einem anderen Angebot (Produkt), welches das Unternehmen für neue Kundensegmente (Kund*innenen) attraktiver macht. Damit verändern sich 3 der 7 Elemente eines Geschäftsmodells.
  • Bei der Suche nach alternativen Bezugsquellen – als Reaktion auf Lieferverzögerungen und unberechenbarer gewordene Lieferketten – fokussiert ein KMU auf Insourcing mit Hilfe moderner 3D-Drucktechnologie. Dies dürfte in der Regel die Kosten erhöhen. Jedoch reduziert sich dadurch die Beschaffungszeit massiv, erhöht sich die Zuverlässigkeit und schafft die Möglichkeit von zeitnahen, flexiblen Anpassungen. Diese Eigenschaften ermöglichen es, viel flexibler (und günstiger) auf spezifische Kundenbedürfnisse eingehen zu können. Dadurch kann die Produktpalette individualisiert werden, was das Unternehmen für gewisse (neue) Kundensegmente attraktiver macht und von der Konkurrenz abhebt.
    In diesem Beispiel verändert sich das Geschäftsmodell wiederum in den Bereichen Ressourcen (3-D-Druck), Produkt sowie Kund*innenen.
  • Den Fachkräftemangel kann man teilweise auch mit Freelancer*innen überbrücken. Die Vorteile daraus – neben vielen Nachteilen – sind, dass mit zusätzlichen Personen auch zusätzliches Know-how in die Unternehmung fliesst und dass man Zugang zu Technologien und Kompetenzen in frei wählbarem Umfang erhält, was man mit Festanstellungen so nicht machen könnte. Dieses zusätzliche Know-how kann dazu führen, dass auch das bestehende Geschäftsmodell angepasst wird, die Angebotspalette ergänzt, erweitert, verändert werden und somit allenfalls auch neue bzw. zusätzliche Kundensegmente erschlossen werden können. Es kann der Startpunkt dafür sein, dass Arbeit, für die sich keine qualifizierten Arbeitskräfte findet, fortan mittels neuer Technologien, insbesondere im Bereich Digitalisierung, ausgeführt wird.

Diese drei willkürlichen Beispiele zeigen, dass externe Probleme durchaus als Chance genutzt werden können, um Bestehendes zu überdenken und (das Geschäftsmodell) anzupassen.

Fazit

Es wäre blauäugig zu denken, dass jede negative Veränderung im Umfeld eines Unternehmens positiv genutzt werden kann. Das Potenzial ist jedoch deutlich grösser, als viele KMU glauben. Ein systematisches Analysieren und Überdenken des eigenen Geschäftsmodells, die Suche nach Alternativen und Anpassungen in einem oder mehreren Elementen des aktuellen Geschäftsmodells sowie deren gezielte Umsetzung ist die richtige, konstruktive Antwort auf die aktuellen (und zukünftigen) Herausforderungen.

Autor: Dr. Rolf Meyer, FHNW